Der Kreis Heinsberg kann mit der Entwicklung seiner Breitband-Erschließung außerordentlich zufrieden sein. Maßgebliche Beschleunigung erfolgte durch den Markteintritt der Deutschen Glasfaser GmbH. Für 41.000 Haushalte wurde eine hochmoderne Glasfaser-Infrastruktur bereits verlegt bzw. vertraglich gesichert. Erst seitdem die Deutsche Glasfaser im Kreis Heinsberg aktiv ist, bewegen sich auch die Wettbewerber.
Im März 2005 – das Datum jährt sich bald zum zehnten Mal – setzte die WFG durch ein Gespräch mit allen Bürgermeistern im Kreis Heinsberg die Idee zu einer kreisweiten Breitbandinitiative in Gang. Hintergrund dieser Initiative war die Befürchtung, dass die Versorgung mit breitbandigen Kommunikationsanschlüssen im ländlichen Raum deutlich hinter den Ballungsräumen zurückbleibt. Eine Benachteiligung der hier wohnenden Bevölkerung sowie der hier wirtschaftenden Unternehmen zeichnete sich ab. Kurz: Der Kreis Heinsberg drohte gegenüber den Großstädten im Umfeld an Attraktivität und Wettbewerbskraft zu verlieren.
Heute ist das Bewusstsein um die Bedeutung schneller Kommunikationsanbindung in Politik und Gesellschaft allgemein deutlich präsenter als noch vor 10 Jahren: spätestens die Digitale Agenda von Bundesminister Dobrindt hat bundesweit die Diskussion über den Breitbandausbau angeheizt: Bis 2018 sollen auch die ländlichen Räume mit „schnellem Internet“ versorgt sein, ein Ziel, von dem die meisten ländlichen Räume noch meilenweit entfernt sind. Und da die Regierung bislang keine Aussagen zur Finanzierung macht, wird es wohl vorläufig nur bei Diskussionen bleiben.
In 2012 waren der Kreis und seine Städte und Gemeinden von der lähmend langsamen Entwicklung so genervt, dass man ernsthaft in Erwägung zog, eine Infrastrukturgesellschaft zu gründen, die sich selbst langfristig um den Ausbau kümmern sollte.
Aber bevor dieses Vorhaben beschlossen war, ergab sich der Kontakt zur niederländischen Investmentgesellschaft Reggeborgh, die mit Reggefiber, einem der bedeutendsten niederländischen Netzwerkakteure, den dortigen Breitbandausbau führend realisierte. Hier erfuhr die WFG von den Absichten, auch in Deutschland in den Ausbau von Glasfaser-Netzwerken zu investieren. Die sofortige Einbeziehung aller Bürgermeister und des Landrats unseres Kreises startete eine nachhaltige Zusammenarbeit: Mit Marco Westenberg, Regionalmanager der für den Ausbau in Deutschland gegründeten Unternehmensgruppe DEUTSCHE GLASFASER GmbH, konnte die Planung und das Marketing für den Breitbandausbau im Kreis Heinsberg als Pilotprojekt begonnen werden.
Das Marketing startete fulminant: die Nachfragebündelung (ausgebaut wird, sofern 40 % der Haushalte in der betreffenden Ortslage Verträge abschließen) gelang in den meisten angesprochenen Ortslagen auf Anhieb und bis heute wurde in mehr als 60 Ortslagen für ca. 41.000 Haushalte der Ausbau begonnen bzw. teilweise auch schon fertiggestellt. Die kleinen Gemeinden Gangelt, Selfkant und Waldfeucht sind nahezu flächendeckend fertig angeschlossen. Deutsche Glasfaser verlegt den technisch zukunftsweisenden Standard ftth (=fiber to the home), d. h. das schnelle Glasfaserkabel wird bis in die Wohnung verlegt. (Mit diesem Standard ist man für jede derzeit vorstellbare Zunahme im Datenverkehr für jeden überschaubaren Zeitraum gerüstet.)
Eine gewisse Ernüchterung ist festzustellen, weil das Unternehmen es bislang nicht geschafft hat, die Ausbaugeschwindigkeit und -qualität an die hohe Zahl der Anschlussgebiete, in denen das Marketing so erfolgreich funktioniert hat, anzupassen. Die Beauftragung der Planungs- und Tiefbauarbeiten erfolgte nicht an die heimische Bauwirtschaft, sondern wurden als DB-Verträge (Design-Build- Kontrakte) an verschiedene europäische Unternehmen erteilt. Bei dieser Art der Projektvergabe trägt der Auftragnehmer die alleinige Verantwortung für Planung und Ausführung. Nicht alle Vertragspartner arbeiteten mit der gleichen Qualität und Zuverlässigkeit. So verlief der Ausbau in einzelnen Ortschaften nicht so reibungslos, wie viele gehofft hatten: zeitliche Verzögerungen beim Ausbau, nicht bezahlte Mindestlöhne und fehlerhafte Wiederherstellung der Oberflächen sorgten für Ärger und negative Schlagzeilen und für viel Arbeit in den Bauämtern der Städte und Gemeinden.
Als Auftraggeber der Arbeiten an Generalunternehmen sah sich Deutsche Glasfaser ebenfalls in der Kritik.
In der zweiten Jahreshälfte 2014 hat Deutsche Glasfaser erst mal einen Konsolidierungskurs eingeschlagen: vor der Benennung und Bearbeitung weiterer Wohnlagen als Ausbaugebiete soll zunächst der akquirierte Bestand solide abgearbeitet werden. Lernprozesse werden fortgeführt, Fehler der Vergangenheit sollen abgestellt werden. Ziel ist es nach wie vor, ein leistungsstarkes und stabiles Glasfasernetz im Kreis Heinsberg zu bauen.
Jüngst begonnen wurden die Bündelungsaktivitäten in den Industrie- und Gewerbegebieten Dremmen und Brachelen.
Die Aktivitäten der Deutschen Glasfaser sind aus Sicht der WFG nach wie vor als Glücksfall zu werten: Die Effekte des Markteintritts der Deutschen Glasfaser gehen weit über das von ihr selbst verlegte Netz hinaus. Erst als die Bündelungsaktivitäten der Deutschen Glasfaser erfolgreich verliefen, wurden auch Wettbewerber wach und im Kreisgebiet aktiv.
Mit der DEUTSCHEN TELEKOM AG bestehen Kontakte seit Beginn der Breitbandinitiative. Die vielfältig von den Kommunen vorgetragenen Wünsche, bestimmte Ortslagen auszubauen, wurden im Regelfall nur dort umgesetzt, wo Kommunen bereit waren, die sog. „Wirtschaftlichkeitslücke“ zu schließen. Kommunen können wiederum anteilig Förderprogramme in Anspruch nehmen. Auf diese Weise ist die eine oder andere besonders schlecht versorgte Ortslage im Kreisgebiet in den Genuss einer (etwas) besseren Versorgungssituation gekommen, zur flächendeckenden Erschließung hat dies jedoch wenig beigetragen. Erst als die Deutsche Glasfaser mit Wegberg-Zentrum und Wegberg-Beeck die ersten Innenstadtlagen im Kreisgebiet marketingtechnisch zu bearbeiten begann, kündigte die Deutsche Telekom den flächendeckenden Ausbau in Wegberg (Eigenausbau, d. h. ohne öffentliche Zuschüsse) an. Dieser ist inzwischen abgeschlossen, in Wegberg sind nun 50 Mbit/s Bandbreite verfügbar, die sich über Vectoring noch auf 100 Mbit/s verdoppeln lassen.
Die Telekom verlegt Glasfaser nur bis zum letzten Verteilerkasten, d. h. für die letzte Strecke ins Haus und in die Wohnung wird weiterhin das vorhandene Kupferkabel genutzt, das ursprünglich mal als reine Telefonleitung gedient hat. Diese Technik (fttc = fiber to the curb) ist nach heutigem Standard mit 100 Mbit/s an der Leistungsgrenze. Die Deutsche Telekom geht allerdings davon aus, dass der fttc-Standard noch Bandbreiten bis zu 1000 Mbit/s ermöglicht.
UNITY MEDIA ist eigentlich ein Kabel-TV-Anbieter. Er hat insbesondere die Innenstädte und Innenstadt-nahen Ortslagen in Erkelenz, Hückelhoven, Heinsberg, Geilenkirchen und Übach-Palenberg mit Koaxialkabel oder Glasfaser erschlossen. Über dieses Netz ist auch schnelles Internet möglich, hier lassen sich schon im bestehenden Netzwerk Bandbreiten von deutlich mehr als 100 Mbit/s erreichen. Konkrete Ausbaupläne der Unity Media bestehen nicht, da man sich auf die Kernstädte konzentriert und am flächenintensiven Umland nicht interessiert ist. Außerdem ist festzustellen, dass weniger als 10 % der Haushalte, die hohe Bandbreiten über die Unity Media beziehen könnten, diese Leistung auch tatsächlich nachfragen. Dies mag allerdings auch mit den bei Unity Media geltenden Gebühren für den Anschluss zusammenhängen, die (z. B. in Neubaugebieten) bei 700 Euro liegen. Neue Gebiete werden auch nur dann erschlossen, wenn 65 % der Haushalte einen Anschluss beantragen.
Der Internet- und Telefondienstleister NET AACHEN hat mit dem Energienetzbetreiber NEW-Netz eine strategische Zusammenarbeit zur Breitbandversorgung im Kreisgebiet beschlossen. Man baut im fttc-Standard aus und will sich auf solche Ortslagen beschränken, die nicht mit gleichwertigen oder höherwertigen Standards (ftth – Technik) ausgebaut sind, da ein paralleler Ausbau von Telekommunikations-Infrastruktur nicht sinnvoll ist. Als vielversprechende Ausbaugebiete werden Mischgebiete (Wohnbebauung und Gewerbe) angesehen. NET AACHEN und NEW Netz setzen nicht auf Nachfragebündelung (d. h. gebaut wird nur, wenn x % der Haushalte vorher Verträge abschließen), sondern gehen aufgrund von guten Erfahrungen davon aus, dass ein hoher Anteil auf das bessere Angebot wechselt.
Die Gespräche der Kommunen, des Kreises und der WFG mit allen Anbietern werden fortgesetzt.
Das Kreisgebiet insgesamt hat mit Bezug auf eine breitbandigere Erschließung mit Telekommunikations-Infrastruktur einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Vor drei Jahren hätten wir diesen gewaltigen Fortschritt nicht für realistisch gehalten. Allerdings profitieren nicht alle Ortslagen gleichermaßen:
Den deutlichsten Fortschritt haben die drei Gemeinden im Kreis (Gangelt, Selfkant und Waldfeucht) gemacht. Diese Ortslagen sind heute nahezu flächendeckend auf höchstem technischem Niveau und zukunftssicher versorgt. Hohe Zustimmungsquoten der Bevölkerung aufgrund von hohem Leidensdruck aus der zuvor empfundenen Unterversorgung und schnelles Reagieren der örtlichen Verwaltung haben das möglich gemacht.
In den meisten Städten des Kreises haben zumindest einzelne zuvor schlecht versorgte dörfliche, zentrumsferne Ortslagen profitiert und ihre Versorgung deutlich verbessert. Innenstadtlagen haben heute schon meist eine etwas schnellere Infrastruktur und der Leidensdruck ist nicht so hoch. Es wird abzuwarten bleiben, welche Anbieter den Ausbau der Innenstädte überhaupt anbieten und ob die Weitsicht der Bewohner von Innenstadtlagen ausreicht, sich eine zukunftssichere Infrastruktur zu sichern.
Die Stadt Wegberg hat sich offenbar dafür entschieden, voll auf die Telekom zu setzen. Diese hat die Stadt inzwischen flächendeckend mit VDSL (mit der Möglichkeit der Bandbreitenerhöhung durch Vectoring) erschlossen, ohne Zuschüsse der Stadt oder aus Förderprogrammen. Wegberg hat den Vertrag mit der Deutschen Glasfaser (zumindest vorläufig) abgelehnt und wird deshalb voraussichtlich nicht in deren Ausbauplänen weiter berücksichtigt.
Elke Schreeck
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