Psychische Probleme anzusprechen muss so selbstverständlich werden wie ein Gespräch über Schnupfen! Dies war der Haupttenor der Veranstaltung am 01. März 2018 „Wenn die Psyche Schnupfen hat – Sensibel werden für Anzeichen psychischer Belastung“. Dazu eingeladen hatten der Zweckverband Region Aachen gemeinsam mit dem „Netzwerk für gesunde Unternehmenskultur im Kreis Heinsberg“. Circa 50 sich lebendig an der Diskussion beteiligende ZuhörerInnen waren in das Haus Lennartz in Heinsberg gekommen.
Fehlzeiten und Frühverrentungen aufgrund psychischer Erkrankungen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das verwundert nicht, schaut man sich eine Untersuchung aus dem Jahr 2016 an, die der erste Redner, Dipl. Psychologe Bernd Wittmann, zitierte: Demnach werden in Deutschland jährlich ca. 1,8 Milliarden Überstunden geleistet, nur 40 Prozent aller ArbeitnehmerInnen können die gesetzlich vorgesehenen Pausen einhalten. Allerdings kann als Faustregel gelten: MitarbeiterInnen erkranken eher aufgrund privater Probleme, Führungskräfte eher aufgrund ihres Jobs. Was aber auch immer die Ursache ist, fast immer hat es Auswirkungen auf die Arbeit. Beobachtet man also an einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin oder Kollegen/Kollegin ein verändertes Arbeits- oder Sozialverhalten, sind sonstige Auffälligkeiten da oder erkennt man gar die ganze Person nicht mehr so richtig wieder, so sollte man dies ansprechen und, je nachdem wie weit sich der/die Betroffene öffnet, gemeinsam weitere Schritte überlegen.
Dies betrifft den Einzelfall. Präventiv sind Arbeitgeber im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen psychischen Gefährdungsbeurteilung verpflichtet, einzelne Arbeitsplätze bzw. – bereiche systematisch auf Belastungen hin zu überprüfen und zu schauen, ob es Abhilfe gibt. Dafür gibt es spezialisierte Beratungsunternehmen wie z.B. EAP-Assist können nicht nur Ansprechpartner für belastete Mitarbeiter/innen sein, sondern sie bieten auch an, bei diesen Gefährdungsbeurteilungen zu helfen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung brachte Frau Sonja Josephs, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Alexianer Krankenhaus Aachen, Beispiele verschiedener Patienten, deren Erkrankungen deutliche Auswirkungen auf die Arbeit hatten. Da ging es um Depressionen, Angststörungen, Abhängigkeitserkrankungen und Burnout. Gibt es Auffälligkeiten auf der Arbeit, so ist dies ihrer Erfahrung nach immer nur die „Spitze des Eisberges“, hinter der meist eine langwierige Problematik steckt. Es ist verständlich, dass dies sowohl beim Betroffenen als auch seinem Umfeld Unsicherheit und Scham auslöst. Dennoch ist eine empathische Ansprache das Mittel der Wahl. Falsch machen lässt sich damit nichts: Im schlimmsten Fall lehnt der/die Angesprochene ein solches Gespräch ab, meist wird es aber als Entlastung wahrgenommen. Dann kann überlegt werden, wo es professionelle Hilfsmöglichkeiten gibt. Da Psychotherapeuten erfahrungsgemäß längere Wartezeiten haben, können erste Anlaufstellen der Haus- oder Betriebsarzt sein, eventuell auch Beratungsstellen oder vom Arbeitgeber verpflichtete Ansprechpartner.
Elke Schreeck
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